Elektromobilität
Für Autolaien hat Carl Benz den Benziner und Elon Musk das Elektroauto erfunden. Aber wie war es wirklich?
Tatsächlich gilt der „Benz Patent-Motorwagen Nummer 1“ aus dem Jahr 1886 als erstes Automobil mit Verbrennungsmotor. Zu dieser Zeit gab es allerdings bereits Dampfkraftwagen und Elektroautos. Als Erfinder von Fahrzeugen mit Elektromotor und wiederaufladbarer Batterie gilt der französische Physiker Gustave Trouvé (1881).
In den USA wurden um das Jahr 1900 etwa 40 Prozent der rund 4000 Automobile mit Dampfkraft, 38 Prozent elektrisch, und nur 22 Prozent mit Benzin betrieben. Warum setzte sich der Ottomotor im Systemwettbewerb durch?
Die frühen Batterie-Autos wurden besonders für den städtischen Lieferverkehr genutzt. Hier wird bereits eine entscheidende Schwäche der Elektromobilität angesprochen: die durch die Speicherkapazität der Akkus begrenzte Reichweite. Ein Grund für den Erfolg des Verbrennungsmotors also war die aufgrund der hohen Energiedichte von Benzin erzielbare Reichweite.
Aber es spielte ein zweiter Faktor eine wichtige Rolle. Während das Elektroauto als langweiliger Lieferwagen wahrgenommen wurde, galt der Benziner als Erlebnisobjekt für Technikinteressierte. Bedient wurde das Abenteuerhafte und Maskuline auch von seinem Motorengeräusch und Benzingeruch. Es gab also objektive und subjektive Argumente für den Verbrennungsmotor und gegen die Elektromobilität.
Zunächst weiter in der Geschichte der Elektromobilität. In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts unternahmen verschiedene Automobilproduzenten den Versuch, Elektromodelle in Serienfertigung einzuführen. Trotz leistungsfähigerer Akkus floppten Einführungen wie der Volkswagen Golf CitySTROMer auf ganzer Linie.
2006 dann kam Tesla auf den Markt. Zunächst mit dem Roadster, einem teuren Sportwagen mit 350 km Reichweite. Es folgten das Model S in 2012 (ein Oberklasse-Fahrzeug mit fast 600 km Reichweite) und das Model 3 in 2017 mit ca. 550 km Reichweite für Preise ab 45.000 €.
Warum hat Tesla geschafft, was 130 Jahre lang niemandem gelang?
Da ist zunächst die Reichweite zu erwähnen. Tesla hat sich von Anfang an auch als Batterieentwickler gesehen und Milliarden in F&E sowie eigene Produktion investiert. Außerdem hat man sich selbst um Ladestationen gekümmert: weltweit gibt es etwa 15.000 Tesla Supercharger-Anschlüsse.
Ein Erfolgsfaktor, der vor allem in Zukunft entscheidend werden dürfte (und damit auch den hohen Börsenwert von Tesla erklärt) ist das Software-gestützte Datenmanagement. Das „Over the Air Update“ ist Ausdruck einer Strategie, die Tesla beim selbstfahrenden Auto einen großen Vorsprung garantieren dürfte.
Wichtig für Tesla’s Erfolg ist schließlich das Image des Unternehmens: Tesla ist Kult und Elon Musk eine Art Guru (wie vor Jahren Apple und Steve Jobs). Wo andere Firmen Kunden haben, haben Tesla und Musk Fans, insbesondere unter den Millennials in den sozialen Netzwerken.
Die Mission von Tesla ist es, den Einsatz nachhaltiger, umweltverträglicher Mobilität zu beschleunigen. Die neuen Luxuskäufer schätzen Zeitgeist-Marken mit Coolnessfaktor, technologiegetrieben und gelassen zugleich.
Die Image- oder Markenebene kann man von der konkreten Produktebene trennen. Zwischen beiden entwickeln sich die reale und wahrgenommene Differenzierung sowie Sympathie und Vertrauen in Marke und Produkt.
Es scheint aber noch eine dritte Ebene zu geben, die mit dem politischen und gesellschaftlichen Umfeld zu tun hat. Seit im Sinne der Ziele des Pariser Klimaabkommens beschlossen wurde, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr zuzulassen, bekam der Elektrofahrzeug-Markt einen starken Schub.
Vor 130 Jahren setzten sich Elektroautos nicht durch, u.a. weil die Käufer von PKW’s technikaffine Männer waren. Der zweite Versuch einer Einführung scheiterte u.a. daran, dass sich die Benzinpreise nach der Ölkrise schnell wieder normalisierten. Wenn jetzt Tesla als Pionier und die anderen Automobilproduzenten als Follower den Durchbruch geschafft haben, hat das auch damit zu tun, dass viele Konsumenten die Rettung des Planeten für wichtiger halten als den Statuseffekt eines leistungsstarken Verbrenner-PKW’s.
Ob sich eine Innovation durchsetzen kann, entscheidet sich also offenbar auf drei Ebenen, der Produktebene, der Markenebene und der Ebene gesellschaftlicher Trends. Die Ebenen sind einerseits nicht ganz unabhängig voneinander, andererseits werden sie aber über unterschiedliche Dimensionen definiert.
Ohne Tesla wäre das Elektroauto wohl nicht so in den Fokus gerückt, wie dies seit gut 10 Jahren geschieht. Ohne die öffentliche CO2-Debatte wäre aber wohl auch Tesla ein kleines Nischenthema geblieben.
Grundlage des Erfolgs in modernen Märkten scheint also
- eine Technologie- und/oder Nutzeninnovation
- eine Kongruenz von Marken- und Zielgruppen-Werten
- ein Einfluss auf die gesellschaftliche Debatte
zu sein.